Resonanz (Teil 1)

Menschen sind keine Maschinen. Sie wollen nicht nur Anweisungen gehorchen, sondern suchen nach Antworten. Auch und gerade bei der Arbeit.

In einer der ersten Szenen des Dokumentarfilms Work hard, play hard (2011) steht der CEO von Unilever, Paul Polman, in der gerade neu erbauten Hamburger Zentrale seines Unternehmens. Ein Mikrofon in der Hand, hält er eine Ansprache zum Jahresbeginn, die die Mitarbeiter motivieren und auf eine neue Firmenkultur einschwören soll. Laut hallt die Rede des Managers von den Galerien des offenen Glasbaus wieder. Die Phrasen des Vorstandschefs über Wachstum, Erfolg und Team-Spirit erzeugen, rein akustisch betrachtet, ein gewaltiges Echo. Etwas anderes aber – das kann man sehen, wenn man in die Gesichter der Mitarbeiter schaut – bleibt weit gehend aus: Echte Resonanz. Polman beendet seine Rede, und es scheint ein Arbeitstag seinen Lauf zu nehmen, wie er in vielen größeren und auch kleineren Unternehmen nichts Ungewöhnliches darstellt: Die Menschen machen sich daran, Aufgaben auszuführen, die ihnen wenig sagen, bei denen sie nur halb bei der Sache sind und in deren Resultaten sie sich kaum noch wiederfinden können. Und dennoch sagen sie: Ich arbeite.

Es ist diese alltägliche Katastrophe unserer modernen Arbeitswelt, die Schlagzeilen von ausgebrannten, dauerkranken und gründlich demotivierten Mitabeitern produziert, die, so heißt es, unter unspezifischem Stress, Burnout, Schlafstörungen, Depression oder Rückenschmerzen leiden. Die uns von Freuden, Verwandten, Bekannten, Kollegen, Klienten oder sogar aus eigener Erfahrung nur allzu vertrauten Geschichten solcher Leidenswege klingen nicht selten nach Schicksalen von Angestellten, die einfach irgendwo abgestellt wurden. Und Manager wie Polman erwecken ein wenig den Eindruck, dass man diese Menschen erst eigens anstellen müsse, damit sie wie Maschinen zuverlässig ihre Aufgaben erfüllen. Menschen sind aber keine Maschinen, und wenn sie wie welche behandelt werden oder anfangen, sich selbst für welche zu halten und sich dementsprechend benehmen, kommt irgendwann die Quittung. 

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Nicht vergessen: Menschen sind keine Maschinen! Sonst kommen sie leicht unter die Räder.

Dass das alles bedenklich und beklagenswert ist, muss ich hier keinem erklären. Die weitaus interessantere Frage lautet: Was läuft da eigentlich schief – und warum? Mit welchen Begriffen kann man das benennen, was hier offensichtlich fehlt, um es wieder in den Griff zu kriegen? Oder geht schon diese Metapher in eine vollkommen falsche Richtung? Das Problem liegt ja wohl nicht zuletzt an dieser krampfhaften Haltung, immer alles in den Griff kriegen zu wollen. Kollegen, Angestellte, Kunden, Projekte, ganze Märkte. Das Problem liegt auch irgendwie darin, dass es hier oft um Sachverhalte, Zusammenhänge, Zielsetzungen zu gehen scheint, die ganz weit weg sind vom alltäglichen Leben und vom gesunden Menschenverstand. Und daraus entsteht dann dieser unglaubliche Mangel an Direktheit, Ehrlichkeit, Echtheit. Wenn alle ein merkwürdiges Theaterstück spielen müssen, dessen Sinn niemand mehr versteht, dann bleibt den Beteiligten nichts anderes übrig, als ihre Rolle möglichst beflissen auszuführen.

Immerhin: Gegen die Sache mit dem krampfhaften Griff könnte helfen: Mehr  Gelassenheit in der Planung und Projektierung, Offenheit für neue partizipative Organisationsformen. Also eine andere Organisationsstruktur. Gegen das Zweite: Größere Praxisorientierung und ein insgesamt sinnerfülltes, ganzheitliches Denken und Handeln. Und gegen das Dritte: Mehr Authentizität und ganz allgemein: mehr Menschlichkeit. Also eine neue Organisationskultur. Alles schön, alles gut. Aber wie kommt man da hin? Und woran merkt man, dass man angekommen ist? Und wenn man dort angekommen ist, wie stellt man sicher, dass alles so bleibt: Gelassen, sinnerfüllt, menschlich? Das alles ist ja genau das Problem von einem wie Polman, der sich wagemutig an die Reling seines Unternehmensschiffes lehnt, ins Leere hinausruft und doch keine Antwort bekommt. Wie kann man die Dinge wirklich langfristig besser und nicht nur möglichst schnell irgenwie anders machen?

Resonanz als Alternative zum Fast-Forward-Modus

Klar: Zu einer neuen und humaneren und zukunftsfähigen Arbeitswelt gibt es viele Wege, und die können dann von unterschiedlichen Menschen auch noch ganz unterschiedlich bezeichnet und an unterschiedlichen Stellen beschritten werden. Aber wir schauen in dieser Reihe nicht etwa deshalb regelmäßig in dicke kluge Bücher, weil die Haptik dieses analogen Mediums einfach so umhauend, so ungeheuer ‚retro‘ und ‚kultig‘ ist (na gut, deswegen natürlich auch!), sondern weil da manchmal richtig gute Gedanken drinstehen, die einem helfen können, aus einem praktischen und theoretischen Wirrwarr wieder ein bisschen Ordnung zu machen. Und zwar Ordnung, die möglichst länger Bestand hat, als eine durchschnittliche Neujahrsansprache. Und in der Frage, was schief läuft und was man grundsätzlich besser machen könnte in unserer Arbeitswelt, lassen wir uns dieses Mal von dem Soziologen Hartmut Rosa weiterhelfen. Nachdem der sich jahrelang vor allem mit solchen Problemen herumgeschlagen hat, die durch die allgemeine Beschleunigung unseres Lebens entstehen, hat er jetzt eine Lösung gefunden, die es in sich hat. Nicht etwa Verlangsamung und den Rückzug auf einsame Inseln ohne Internetzugang schlägt er vor, sondern: Resonanz. (So lautet auch der Titel seines neuesten Buches, aus dem ich hier zitiere.) „Wenn Beschleunigung das Problem ist“, sagt Rosa, „dann ist Resonanz vielleicht die Lösung.“ (S. 13) Was das aber genau ist, was Resonanz mit unserem Arbeitsalltag zu tun hat, aber auch mit den ganz großen Fragen von Gegenwart und Zukunft, das schauen wir uns in dieser Serie etwas genauer an.

Dazu kommen wir zu unserem Ausgangpunkt zurück. Der Manager und seine Angestellten, die jener mittels einer unternehmensweiten Ansprache zu motivieren sucht, haben etwas gemeinsam: Der eine ruft und findet doch kaum Gehör. Die anderen stehen da und fragen sich: Versteht der eigentlich, was ich mache, was ich kann und was ich will? Beiden fehlt etwas, was sie doch dringend brauchen: Resonanz. „Ich habe Tag für Tag und Monat für Monat gearbeitet und geackert, aber es kam nichts zurück.“ (S. 399) So lautet nach Hartmut Rosa ein häufig geäußerter Satz von Burnout-Patienten. Zu einem solchen kann ebenso ein Manager werden, der sich vergeblich ins Zeug legt, um seine Leute zu motivieren, wie dessen Angestellten, die den Eindruck haben, der Vorgesetzte rede an ihnen vorbei und schaue durch sie hindurch.

Was man an der Oberfläche als relativ einfach zu behebendes Kommunikationsproblem auffassen und vielleicht auch vorläufig als solches lösen könnte, das hat oftmals tiefere Ursachen. Resonanz von Hartmut Rosa ist ein dickes und kluges Buch, das einen eben daran erinnert. So ein pfundsschwerer soziologischer Wälzer ist allerdings ein zweischneidiges Schwert im Kampf gegen die Unbillen der modernen Arbeits- und Führungspraxis. Er hebt alles auf eine höhere, mithin allgemeinere und abstrakte Ebene. Das ist einerseits aufregend, weil so deutlich wird: Die täglichen Probleme und Herausforderungen haben womöglich eine gemeinsame Wurzel und sind weit mehr als nur ein paar Wachstumsschmerzen einer sich verändernden Welt. Dieser Abstraktions- und Verallgemeinerungsprozess hat aber auch seine Tücken: Von dort aus muss man erst einmal wieder zurück finden zur alltäglichen Praxis. Trotzdem wagen wir dieses Experiment – denn der Ertrag dürfte die Mühe mehr als wert sein. Dafür müssen die geneigten LeserInnen allerdings ein wenig Theorie ertragen – wie immer aber in dieser Reihe, in durchaus erträglichem Umfang!

Körperloses und technikvermitteltes Arbeiten als moderne Normalität

Und der nimmt sich erst einmal so aus: Das Gefühl, einer Arbeit nachzugehen, die wenig bis nichts mit mir zu tun hat, der Eindruck mit Aufgaben betraut zu sein, deren tieferen Sinn ich nicht durchschauen kann, das Problem, auf eine Art und Weise zu arbeiten, die sich irgendwie künstlich und unnatürlich anfühlt – das alles ist zunächst mal überhaupt kein (zweifelhaftes) Privileg durch unfähige oder unbarmherzige Vorgesetzte gequälter Angestellter, sondern es ist schlichtweg Normalität von Arbeit im 21. Jahrhundert. Und das hat, erklärt uns der Soziologe, auch nichts damit zu tun, dass unsere ganze (Arbeits)welt verrückt geworden wäre, sondern schlicht und einfach mit der Wahl ihrer Mittel. Das sind im wesentlichen Arbeitsteilung, Spezialisierung und Technisierung. Vor allem Technisierung. Was früher ein Bauer mit der Hand aus dem Boden zog, eine Näherin mit Nadel und Faden zusammenbrachte oder ein Bauarbeiter in die Luft stemmte, wird heute von Maschinen bearbeitet. Diese Ablösung der Handarbeit ist natürlich überhaupt kein neuer Prozess, sondern einer, der sich nur über die Jahrhunderte immer weiter intensiviert hat.

Aus der Zwischenablage

Dazu kommt allerdings heute ein neues Moment: Die Digitalisierung – und mit ihr die Bildschirmarbeit. Sie macht, nicht für alle, aber für viele von uns Arbeit noch einmal ein gutes Stück abstrakter, künstlicher, sozusagen unnatürlicher. Soziologen und Sozialphilosophen sprechen dann gern von entfremdeter Arbeit, ein Begriff in dem immer schon ein Zacken Kritik mitschwingt. Dazu später mehr. Hartmut Rosa schreibt über die Tücken dieser Bildschirmarbeit:

Wir verrichten die Arbeit als symbolvermittelte Tätigkeit immer häufiger über Bildschirme und Touchscreens, welche allen Kraft- und Energieeinsatz zur materiellen Transformation von Welt in eine standardisierte Form gießen und über die immer gleichen indirekten, minimalen körperliche Bewegungen vermitteln. (S. 165)

Wo gehobelt wird, da fallen Späne, wo geschraubt wird, dreht einer den Schraubenzieher – und selbst noch für Büroarbeit brauchte es früher Stift und Papier oder zumindest eine mechanische Schreibmaschine. Heute wird nahezu lautlos und fast ohne jeden Kraftaufwand geklickt, getippt, gewischt. Und zwar von immer mehr Menschen in immer mehr Situationen. Arbeit wird immer körperloser:

In der hochtechnisierten Spätmoderne benutzen wir unseren Körper […] immer seltener im unmittelbaren Sinne als Werkzeug oder Instrument: Zum Jagen wie zum Bauen, zum Graben wie zur Fortbewegung bedienen wir uns technischer Artefakte, die sich gleichsam zwischen uns und die stoffwechselnde Tätigkeit am Material schieben […]. (S. 165)

Und was dann kommt, kennen wir alle, denn es scheint fast unvermeidlich. Wir „trainieren Muskeln, Gelenke und Geschicklichkeit, Kraftausübung, Ausdauer und Beweglichkeit im Fitnessstudio, beim Jogging, im Schwimmbad oder beim Yoga […].“ (S. 165f) Sprich: Wir simulieren nach der Arbeit das, was früher einmal Arbeit war. Weil uns offenbar etwas fehlt, das wir in unserer Arbeit nicht finden. Was ist das? Na klar: Resonanz.

Resonanz bei der Arbeit: Mehr als nur Gesundheitsmanagement

Nur: Moment mal. Warum dieses Gerede über einen so hochtrabenden, fast schon esoterisch klingenden Begriff? Gegen Bewegungsmangel gibt es eben Fitnessstudios, Stadtparks, Naherholungsgebiete und die dazugehörigen Sportarten. Die Probleme der monotonen Bildschirmarbeit sind ja auch längst erkannt und werden vielfach schon auf Organisationsebene durch das sogenannte Gesundheitsmanagement gebannt – oder? Ob da bei den Menschen etwas resoniert oder nicht, kann eigentlich allen Beteiligten herzlich egal sein, wenn durch die richtige Herangehensweise die Augen nicht mehr müde, der Rücken nicht mehr krumm und die Mitarbeiter nicht mehr erschöpft sind.

Ja, all das würde wirklich reichen, wenn es nicht um mehr ginge. Aber um was geht es eigentlich noch, wenn wir über Resonanz reden? Am Beispiel der körperlichen Arbeit kann man sich das sehr leicht klar machen: Wenn ich beim Schleifen von Holz spüre, wie dieses unter dem Druck meiner Hand seine Form verändert, aus einer rauen eine seidig glatte Oberfläche entsteht, die den Händen schmeichelt, weiß ich, an was und wozu ich arbeite. Das Holz gibt mir etwas zurück, es antwortet mir gewissermaßen. Ich stecke etwas hinein (Kraft, Geschick, Sorgfalt) und bekomme das gute Gefühl zurück, etwas Schönes geschaffen zu haben, das vermutlich auch noch einen Gebrauchswert besitzt. Arbeit wie sie sein soll.

Und es ist das Grundkonzept von Resonanz, wie Rosa sie versteht: Etwas tun – und Antwort erhalten. Acht geben – und reagieren. Es ist eine Form von Interaktion mit der Welt, von Sein in der Welt, die durch Aktion und Reaktion, durch den ständigen Austausch von körperlichen und geistigen Kräften, von Worten, von Gefühlen geprägt ist. Ein dynamisches Hin und Her, mit mir selbst mittendrin. Resonanz ist „ein vibrierender Draht zwischen uns und der Welt“ (S. 24).

Klingt wirklich ganz schön eso, nicht? Tja, irgendwie schon. Nur gibt es eben ein Bedürfnis nach einer solchen Form von Kommunikation, von Austausch und Interaktion mit den Dingen, den Menschen und der Welt, die uns umgeben, das sich auch im schnödesten Alltag noch Bahn bricht. Und zwar nicht nur bei einigen merkwürdigen Sonderlingen, sondern einer großen Zahl von Menschen. Hartmut Rosa erinnert uns etwa an die vielen MarathonläuferInnen unserer Zeit. Oder an jene ebenfalls nicht wenigen Personen, die sich wahlweise Extremsportarten hingeben oder an Kuschelparties teilnehmen, beides mit dem Ziel, intensive körperliche Erfahrungen zu machen. Oder er verweist auf den Trend zu vielfältigen Formen der Meditations- und Entspannungsübungen. Und stellt fest:

Dass solche Philosophien und Praktiken in der spätmodernen Gesellschaft allerhöchste Wertschätzung erfahren und gerade von der gehetzten Elite und von Führungskräften so stark nachgefragt werden, lässt sich als ein weiteres Indiz dafür lesen, dass in der praktischen kulturellen Selbstwahrnehmung die Weltbeziehung reparatur- oder korrekturbedürftig geworden ist. (S. 97f)

Sprich: In einer (Arbeits)welt, in der wir unseren Körper und damit auch einen Teil von uns selbst nicht mehr spüren, ihn nicht mehr als handelnden, aktiven und gleichzeitig reagierenden Faktor erfahren, ist etwas aus dem Lot geraten. Die Frage ist nun, ob Yoga, Jogging und kollektiv verordnete Physiotherapie schon ausreichen, um die Dinge wieder einzurenken. Unsere Knochen, Sehnen und Gelenke vielleicht – aber was ist mit diesem grundsätzlichen Bedürfnis, etwas von uns selbst in unserer Arbeit wiederzufinden, eine eindeutige, intensive und befriedigende Anwort auf unser Tun zu erhalten?

Das erledigt sich schließlich nicht von selbst, wenn die vielen Bemühungen darum, die fehlende Resonanz auszugleichen nur aus einer von der Arbeit weit gehend getrennten Ersatzhandlung bestehen. Denn so sieht es aus: Wir verrichten unsere Arbeit, die immer öfter eine abstrakte, körperlose und über weite Distanzen und Zwischenstationen vermittelte ist. Und davor, danach oder daneben dehnen und strecken wir uns, hetzen über das Laufband oder den Rhein entlang, Atmen in der Gruppe und Horchen in uns hinein. Erst die Arbeit, dann das Vergnügen – oder allenfalls (wenn wir einen Kicker oder ein Bällebad am Arbeitsplatz haben) zwischendurch und nebenher.

Aus der Zwischenablage

Resonanz ist längst nicht nur eine Frage des Körpergefühls

Da bleibt etwas auf der Strecke, das auch der ausdauerndste und schnellste Jogger nicht einholen kann. Und so verlagert sich das Bedürfnis nach Resonanz – was hier nichts anderes heißt, als in seiner Arbeit etwas zu spüren, das sich echt und wirklich anfühlt, etwas als Ergebnis der eigenen Anstrengungen zurückzuerhalten, das Kraft und Mut gibt für weitere Bemühungen – in einen anderen Bereich. Wir suchen die positiven Rückmeldungen und Antworten, die unmittelbaren Erfolgserlebnisse und Freuden wahlweise in einer durch größten persönlichen Aufwand zur ‚Selbstverwirklichung‘ gesteigerten Hyperarbeit – oder mühen uns um die Wertschätzung und bestätigende Kommunikation von und mit Kollegen, Vorgesetzten, Kunden. Es reicht uns nicht mehr, wenn der Chef uns einmal im Jahr über den Flur zuruft, wir sollten uns anstrengen, weil er es so wolle. Wir wollen, dass er zumindest ein bisschen von dem, was wir wollen, versteht, aufgreift und zurückgibt.

Vielleicht gehen wir sogar noch weiter und suchen nach dem Sinn unserer Arbeit in deren langfristigen Resultaten – was heute fast immer bedeutet, auf das Handeln mindestens einer ganzen Organisation, eines Unternehmens, vielleicht einer Branche zu blicken. Und es dahingehend zu hinterfragen, ob es meinen eigenen Wertmaßstäben entspricht, ob ich mich ‚darin wiederfinde‘. Denn genau das ist Resonanz – in the long run.

Aus der ZwischenablageKonservative und Skeptiker mögen darin nun die Verücktheiten einer hippen Fraktion von Großstadtintellektuellen oder die Irrwege einer nachwachsenden Generation (der mit dem Y) erkennen. Mit Hartmut Rosa könnte man allerdings nüchtern feststellen: Unsere „Resonanzachsen“ werden länger. Weil wir in unserer alltäglichen Arbeit immer weniger umgehende Befriedigung finden, kaum direkte Reaktionen und Antworten auf das was wir tun, keinen physischen Widerstand und auch längst nicht immer intensiven geistigen oder emotionalen Austausch spüren – und man solche Arbeit deshalb, ohne jede Anklage gegen irgendjemanden, wirklich entfremdet nennen kann – sind wir darauf verwiesen, anderswo nach Resonanz, nach Antworten, nach Bestätigung unseres Tuns und unserer Existenz zu suchen.

Das ist – wenn man die Umstände einer immer stärker arbeitsteilig und auf Technologie und Wissensarbeit angewiesenen Arbeitswelt betrachtet – ein fast unausweichlicher Prozess. Man kann darüber schimpfen, ihn ignorieren, oder – klüger – ihn zu beeinflussen suchen. Wenn allerdings Leute wie Paul Polman mit ihren Konzerntankern langfristig Fahrt machen wollen, wird es nicht reichen, den Mitarbeitern durch bloße Appelle Motivation für eine Sache einzuhauchen, in der sie sich selbst nicht wiederfinden. Auch mit manipulativen Methoden ihre ‚Zufriedenheit zu steuern‘ wird keinen nachhaltigen Erfolg produzieren. Vielmehr werden alle miteinander, besser früher als später, zu Organisationsstrukturen und Formen der (Zusammen)arbeit finden müssen, die so etwas wie Resonanz im Arbeitsalltag wieder stärker spürbar werden lassen.

Wer noch nicht glauben will, dass das nicht nur irgendwie ratsam, sondern sogar dringend nötig ist, kann sich ja mal den Film Work hard, play hard in voller Länge ansehen. Aber bitte nicht direkt vor dem Schlafengehen. Und am Besten nur mit psychologischer Begleitung. Oder Sie wählen die weniger gruselige Alternative und warten einfach auf Teil 2 dieses Artikels. Da erfahren wir nämlich, was Resonanz auf der Ebene des sozialen Miteinanders, in Organisationen und der Gesamtgesellschaft bedeutet. Was sie mit Begriffen wie ‚Team Spirit‘ und ‚Compliance‘ zu tun hat – oder eben auch nicht. Und dass Organisationen, die durch ihre Struktur und Kultur Resonanz verunmöglichen, sich von Kreativität, Innovation und der Fähigkeit zur Lösung komplexer Probleme weit gehend verabschieden können. Aber auch, warum die konsequente Berücksichtigung von Resonanz eine solche Misere nicht nur verhindern, sondern vieles möglich machen kann, das sonst in mühsamem Klein-Klein erkämpft werden muss. Dazu mehr in eben dieser Reihe ab Freitag, dem 17. Juni.

Auch mal richtig tief ins Buch schauen? Für diesen Artikel gelesen:
Rosa, Hartmut: Resonanz – Eine Soziologie der Weltbeziehung, Suhrkamp, Berlin 2016

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