#SorgenvonMorgen 8: Warum nur kann die Sozialwirtschaft so wenig mit #NewWork anfangen?

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Ein Dialog über Dreiecke, Komplexität, Sinn und Nächstenliebe mit Hendrik Epe

Schon lange mache ich mir Sorgen um die Sozialwirtschaft. Das liegt daran, weil meine Eltern in diesem Bereich gearbeitet haben und ich miterleben musste, wie dort ab Mitte der 1990er Jahre mit einer Mischung aus Mittelverknappung und einer recht herzlosen Adaption einseitiger Management- und Controllingmethoden reichlich miese Stimmung verbreitet wurde. Von den faszinierenden Ideen und alternativen Ansätzen, mit denen mein Vater in den 80ern in die Arbeit gestartet war – und die dem, was man heute #NewWork oder Arbeiten 4.0 nennt, teilweise zum verwechseln ähnlich sehen – war bald keine Rede mehr.

Dabei wäre die Sozialwirtschaft, für die Profitmaximierung und Effizienzdenken EIGENTLICH nie im Mittelpunkt standen und stehen dürften, doch wie gemacht für dezentrale Entscheidungen und kundenorientiertes Arbeiten auf Augenhöhe. Und den heute vielgesuchten Sinn muss man gar nicht erst in die Arbeit hineinzaubern, er ergibt sich von selbst aus der zentralen Aufgabe jeglicher sozialer Arbeit: Zum Wohle der Menschen zu handeln. Was also ist los mit der Sozialwirtschaft – verschläft sie gerade einen Trend, den sie eigentlich selbst hätte setzen sollen? Um diese und weitere Sorgen zu besprechen, habe ich jetzt endlich den richtigen Experten gefunden: Hendrik Epe, Diplom-Sozialpädagoge, Organisationsanalyst, Innovationscoach und Blogger, der sich schon länger intensiv mit den Innovationschancen und der Zukunft von Organisationen der Sozialwirtschaft befasst.

 

Andreas Schiel:

Lieber Hendrik, schön dass du dabei bist, um gemeinsam mit mir ein paar Sorgen über Gegenwart und Zukunft der Sozialwirtschaft durchzudeklinieren! Nach Deinem hervorragenden Artikel darüber, warum die Zukunft der Arbeit in der Sozialwirtschaft noch nicht so richtig angebrochen ist, ist mir allerdings ein wenig bange, ob Du diese Sorgen überhaupt ausräumen kannst. Aber der Versuch reizt mich doch. Kannst Du zu Beginn vielleicht einmal kurz Deine fünf Punkte aufzählen, wegen derer es in der Sozialwirtschaft noch nicht so recht klappen will, mit der neuen Arbeit?

 

Hendrik Epe:

Lieber Andreas, danke erstmal für die Einladung zu diesem Gespräch. Und vorab: “Die” Sozialwirtschaft ist natürlich schwierig zu fassen, da wir hier über ein komplexes System unterschiedlichster Player sprechen. Zu nennen sind natürlich die “Big Six”, die sechs großen Wohlfahrtsverbänden: Diakonie, Caritas, Rotes Kreuz, Paritätischer Wohlfahrtsverband, die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST) und die Arbeiterwohlfahrt. Darüber hinaus gibt es aber noch unzählige kleine, frei-gemeinnützige und auch private Träger und Initiativen, wie bspw. die Elterninitiative, die eine Kita um die Ecke aufmacht. Das allein macht es schon nicht einfach, über “die” Sozialwirtschaft zu sprechen. Aber es gibt natürlich Gemeinsamkeiten, insbesondere wenn es um grundlegende organisatorische Aspekte wie Strukturen, Strategien, Anspruchsgruppen etc. geht. Verdeutlichen lässt sich das bspw. am “Leistungsdreieck” der Sozialwirtschaft: Die Nutzer der Leistungen tragen nicht oder zumindest kaum die Kosten der Leistungen. Hier kommt – neben den Organisationen und den Nutzern – noch der Kostenträger hinzu. Das sind die für die Sozialleistungen zuständigen Körperschaften, Anstalten und Behörden.

Du sprichst aber konkret die folgenden Punkte an:

  1. In meinen Augen hinkt die Sozialwirtschaft hinkt den Entwicklungen der „Erwerbswirtschaft“ hinterher. Damit lässt sich gut zusammenfassen, was Du schon in der Einleitung sehr passend aufgreifst: eine “herzlosen Adaption einseitiger Management- und Controllingmethoden”. Angefangen von hierarchischen Organisationsstrukturen über teilweise auch gesetzlich vorgegebenen, oft sehr strikten Anforderungen im Qualitätsmanagement bis hin zur Besetzung von Leistungspositionen mit Menschen, die zwar betriebswirtschaftlich versiert, von der Komplexität sozialwirtschaftlicher Organisationen jedoch weit entfernt zu sein scheinen.
  2. Ich habe dann den Eindruck, dass sich die in den Organisationen Beschäftigten zwar mit Herzblut und hohem Engagement um die Klientel kümmern. Die Organisation und organisatorische Aspekte werden aber als störend empfunden. Weiterentwicklung der Organisation, der Prozesse etc. wird vielfach nicht betrachtet, wodurch Innovationen im Sinne von Prozessinnovationen nicht vorangetrieben werden. Hinzu kommt, dass die Einschränkungen, bspw. durch Führungskräfte aber auch ehrenamtliche Vorstände etc. die Mitarbeiter frustriert haben.
  3. hendrik_epe

    Hendrik Epe. Er schreibt über die Zukunft der Arbeit in sozialen Organisationen auf seinem Blog IdeeQuadrat.

    Organisationen der Sozialwirtschaft sind in sehr enge Strukturen eingebunden, die aus Sicht der Führungskräfte immer zu berücksichtigen sind. Die obersten Entscheidungsgremien, oftmals fachfremde Vorstände oder Mitgliederversammlungen, verfolgen Interessen, die die Notwendigkeit zur Entwicklung und zur Innovation der Organisation nicht zwingend sehen. Daraus folgt aus der Perspektive der Führungskräfte, dass diese eine enorme Komplexität zu bewältigen haben – Klientel, Kostenträger, Vorstände, Politik, Rechtssystem etc. Die hohe Komplexität der zu beachtenden Vorgaben, die Vielzahl der involvierten Stakeholder, die Notwendigkeit, moralisch immer einwandfrei zu handeln (hier ist der Druck höher als in erwerbswirtschaftlichen Organisationen, die dies natürlich auch tun müssen) kann dazu führen, dass sich die Führungskräfte vornehmlich mit operativen Führungstätigkeiten befassen, um keine Fehler zu begehen. Die Arbeit an der Organisation, die Arbeit an Strukturen und Prozessen, läuft Gefahr, vernachlässigt zu werden. Daraus resultiert auch eine Vernachlässigung der Frage, wie eigentlich in der jeweiligen Organisation zusammen gearbeitet werden soll.

  4. Der vierte Punkt ist zunächst noch eine Befürchtung: Sozialarbeiter gelten als die derzeit gefragtesten Akademiker. Daraus resultiert ein gravierender Fachkräftemangel. Die Organisationen der Sozialwirtschaft  reagieren darauf mit einer deutlichen Qualitätsreduktion: Menschen werden eingestellt, die die fachlichen Voraussetzungen nicht erfüllen. Für die Organisationen ist es kurzfristig erfreulich,  die Ausgaben aufgrund geringerer Personalkosten zu senken. Hier fehlt es leider immer noch an einer verständlichen Darlegung, warum Soziale Arbeit wichtig ist und warum Soziale Arbeit auch Geld kostet. Für Arbeit 4.0 oder besser: für eine neue, sinnstiftende Art der Zusammenarbeit in Organisationen der Sozialwirtschaft bedeutet dies, dass die Organisationen ihren Betrieb aufrechterhalten können, ohne sich tiefgreifende Gedanken um die Art der Zusammenarbeit machen zu müssen. Alles bleibt, wie es ist! Funktioniert ja auch so!  
  5. Den abschließenden Punkt greifst Du oben schon auf: In meinen Augen geht es bei Arbeit 4.0 in der Sozialwirtschaft nur am Rand um die Frage, wie Digitalisierung oder Industrie 4.0 zu veränderter Arbeit führen kann. Mir geht es um die Frage, wie die Arbeit sinnstiftend und ganzheitlich sein sowie nutzbringend für alle Beteiligten ausgestaltet werden kann. Hier sehe ich – genau wie Du es beschreibst – ein enormes Potential in den Organisationen der Sozialwirtschaft.   

Mir ist es noch wichtig zu betonen, dass es viele Initiativen und Organisationen gibt, die bereits tolle, innovative Wege in der Sozialwirtschaft gehen, Organisationen, die sich auf ihre Geschichte und ihren eigentlichen Zweck berufen und dadurch bereits wahnsinnig tolle Arbeit leisten. Aber das Gros der Organisationen steht hier noch am Anfang.

 

Andreas Schiel:

Jetzt muss ich mich erstmal von dieser Fülle an Informationen erholen (Komplexitätsschock!) und gedanklich etwas Ordnung schaffen. Na gut, ich setze mal genau bei dieser Konfusion durch Komplexität an, die sowieso gerade durch viele meiner Überlegungen und Blog-Artikel spukt: Wenn denn die Organisationen der Sozialwirtschaft, wie du unter Punkt c) schreibst, durch Komplexität in einem besonders hohen Maße gefordert sind (wobei man sich bestimmt darüber streiten kann, wer heute am meisten Komplexität ertragen muss, da stehen gerade viele an der Klagemauer), aber gleichzeitig wenig Geld zur Verfügung haben, für zusätzliches Personal, Beratung, Top-Manager etc. – Wieso kommen die an der Spitze nicht auf die Idee, es sich selbst mal ein bisschen einfacher zu machen und etwas Verantwortung abzugeben, schon aus Egoismus? Wenn ich mich richtig erinnere, berichtet der auch in Deinem Artikel erwähnte Frédéric Laloux in seinem Buch ‘Reinventing Organizations’ von der niederländischen Pflegeorganisation Buurtzorg, die durch Denzentralisierung von Entscheidungen nicht nur viele Sorgen und Probleme, sondern auch ungeheuer viel Geld einspart. Man sagt doch, Not mache erfinderisch!

 

Hendrik Epe:

Ganz kurz nochmal zur Komplexität: Im Gegensatz zu erwerbswirtschaftlichen Organisationen müssen Organisationen der Sozialwirtschaft, und hier vor allem die von Dir angesprochenen Führungskräfte, neben der Klientel, den Nutzern der Leistungen der Organisation, von manchen auch als Kunden bezeichnet, zusätzlich unterschiedlichste interne und externe Anspruchsgruppen im Blick halten. Zu nennen sind auf Seiten der internen Anspruchsgruppen natürlich die Mitarbeiter, aber auch Vorstände oder Ehrenamtliche. Auf Seiten der externen Anspruchsgruppen kommen zu den Nutzern eben noch die Kostenträger hinzu, aber auch Politiker, in einigen Settings auch andere Organisationen wie die Polizei. Wichtig ist in dem Zusammenhang, dass die Ausrichtung eben nicht auf die Wirtschaftlichkeit der Organisation allein fokussiert. Organisationen der Sozialwirtschaft verfolgen vielmehr eine normativ-kritische Ausrichtung, die vor allem Überlegungen ethischer Vernunft folgt. Kurz: „Dürfen wir als Organisation so und so handeln?“

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Spannend ist tatsächlich, dass die Führungskräfte nicht den Weg gehen, innovative, agile, auf Selbststeuerung basierende Organisationen zu gestalten, sondern sich – so jedenfalls meine Einschätzung – aufgrund der Komplexität der zu leistenden Aufgaben, viel eher in das operative Geschäft zurückziehen. Die zu bewältigenden Aufgaben sind bereits so herausfordernd, dass eine Auseinandersetzung mit der Organisation an sich, also der Art, wie die Arbeit gestaltet werden könnte, zu Überforderung der Führungskräfte führen kann. Hinzu kommt, dass die von außen, also von Politik und Rechtssystem, an die Organisationen herangetragenen Anforderungen eher zu- als abnehmen. Innovative Formen der Arbeit, Arbeit 4.0, wenn man so will, wird also im Keim erstickt. Es geht darum, das Alltagsgeschäft so zu bewältigen, dass man die gesetzlichen Anforderungen erfüllt. Du siehst: In meinen Augen ist Egoismus sicherlich nicht der Fokus der Menschen, die Verantwortung für Organisationen der Sozialwirtschaft übernehmen – schon allein aufgrund der relativ geringen Möglichkeiten, sich selbst „zu bereichern“.

In dem Zusammenhang finde ich die Überlegungen von Prof. Heiko Kleve aus Potsdam enorm spannend. Er plädiert, sehr verkürzt ausgedrückt, für eine radikal-liberale soziale Arbeit. Erst durch Rückgewinnung der Freiheit zur Gestaltung der Organisationen kann der Fokus wirklich auf den Zweck der Organisationen – die Bearbeitung sozialer Probleme – und damit auf die Menschen, um die es eigentlich geht, gelenkt werden.

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Hier ist das Bild von Buurtzorg sehr passend: Da hat jemand – Jos de Blok – eine Organisation aufgebaut, die radikal anders zu dem in den Niederlanden bestehenden Pflegesystem funktioniert. Er hat sich sozusagen die Freiheit herausgenommen, die Organisation radikal anders zu gestalten – mit dem Klienten als Mittelpunkt allen Handelns. Das ist aus meiner Perspektive im Gesundheitswesen aufgrund anderer Finanzierungslogiken noch verhältnismäßig einfach. Im Sozialwesen sehe ich hier größere Hürden. Das heißt aber nicht, dass es nicht möglich ist, auch diese Organisationen neu, anders, zu gestalten.

 

Andreas Schiel:

Jetzt haben wir erstmal gesehen: Was die jetzige Situation in der Sozialwirtschaft betrifft, ist das alles nicht so einfach. Knappe Ressourcen, anstrengendes Alltagsgeschäft, Führungskräfte rotieren zwischen unterschiedlichen Anspruchsgruppen und widerstreitenden Wertesystemen (ökonomisch-betriebswirtschaftliche Zwänge vs. Zweck der Organisation). Wenn ich das richtig sehe, kann das vielfach auf den Widerspruch eines aus der Binnenperspektive durchaus gesunden, organisationalen Egoismus gegen den eigentlich mit sozialer Arbeit fest verbundenen Altruismus hinauslaufen. Und offenbar braucht es da einen regelrechten Befreiungsschlag mit viel Mut zum Experiment, um solchen Zwangslagen zu entkommen.

Andererseits hast Du zu Anfang unseres Dialogs schon darauf aufmerksam gemacht, dass sich manche Organisationen auf die Ursprünge sozialer Arbeit besinnen, die ja – in unserem noch stark durch christliche Werte geprägten System der Sozialfürsorge kann man das vielleicht so formulieren – zu einem guten Teil in der Nächstenliebe wurzeln, also in einer Haltung, die sagt: Hilfsbedürftigen ist zu helfen, ungeachtet aller Hindernisse und Schwierigkeiten, für Menschlichkeit und Solidarität muss immer gesorgt sein, ganz gleich, ob die Kasse stimmt. Ist das vor allem bei den praktisch tätigen MitarbeiterInnen sozialer Organisationen nicht immer noch das tragende Motiv? Müsste nicht auf dieser Basis eine kunden- und damit menschenzentrierte Reorientierung der Sozialwirtschaft geradezu leicht fallen? Oder wo siehst Du den besten Ansatzpunkt zu einem positiven Wandel?

 

Hendrik Epe

Zu der Problematik der Führung in Organisationen der Sozialwirtschaft nur noch kurz: Es gibt ein ganz passendes Buch dazu: „Führung im Widerspruch“ von Prof. Herzka aus der Schweiz, das sich explizit mit den in der Führungsrolle sozialwirtschaftlicher Organisationen permanent ergebenden Widersprüchen auseinandersetzt.

Jetzt aber zu deiner mehr als berechtigten Frage: Was ist zu tun? Aus meiner Perspektive ist die Rückbesinnung auf den Kern Sozialer Arbeit, von mir aus „Nächstenliebe“, gut und wichtig. Das ist sicherlich eines der relevanten Merkmale der beruflichen Identität von Menschen, die sich in dem Arbeitsfeld bewegen – Menschen helfen. Es ist jedoch nicht ausreichend. Professionelle Soziale Arbeit geht weit über „Hilfe leisten“ hinaus. So sind die Problemlagen, mit denen die Menschen in den sozialen Berufen konfrontiert sind, teilweise so komplex, dass „Nächstenliebe“ an Grenzen stößt. Als Extrembeispiel kann auf die Entscheidung hingewiesen werden, ein Kind aus einer Familie herauszunehmen. Jeder „Normalmensch“ würde Kinder sofort aus den Familien herausnehmen, aus Mitleid, aus Angst, oder warum auch immer. Was dies jedoch mit dem Kind, mit der Familie, mit dem Umfeld macht, welche rechtlichen und psychologischen Implikationen damit verbunden sind etc., das lässt sich in einer Überschrift der BILD-Zeitung nicht fassen. Damit will ich sagen, dass es in Organisationen der Sozialwirtschaft sicherlich leichter ist, einen „Sinn“ in der Arbeit zu finden, als dies bspw. im produzierenden Gewerbe der Fall ist. Hinzukommen muss aber einmal die Professionalität, also die Frage, was in der jeweiligen Situation das fachlich Beste ist. Hinzukommen muss darüber hinaus die Frage nach der Wirtschaftlichkeit der angebotenen Leistungen, auch wenn „Ökonomisierung“ im Kontext Sozialer Arbeit zumeist negativ behaftet ist. Wir bewegen uns also auch hier wieder in einem ziemlich komplexen Umfeld. Nur Sinn allein kann man vielleicht bei den Landfrauen bekommen, im Kontext professioneller Sozialer Arbeit kommen weitere Faktoren hinzu.

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Die Frage, wie man unter diesen Rahmenbedingungen positiven Wandel hin zu agilen, also lebendigen Organisationen der Sozialwirtschaft gestalten kann, lässt sich nicht mit „Rezepten“ beantworten: „Wenn ihr diese drei Schritte umsetzt, dann läuft es wie am Schnürchen!“ Auch wenn sich das vielleicht viele wünschen: So leicht ist es nicht. Bevor mit irgendwelchem Change Management, Veränderung etc., angefangen werden sollte, ist viel eher das in der jeweiligen Organisation vorherrschende Menschenbild zu betrachten, das wiederum enorme Auswirkungen auf die Kultur der Organisation hat. Als Beispiel formuliert: Warum muss an der Kasse der Kantine jemand sitzen, der das Essen abkassiert? Wie wäre es stattdessen, den Platz einfach unbesetzt zu lassen und darauf zu vertrauen, dass die Menschen für ihr Essen angemessen bezahlen? Ich bin davon überzeugt, dass so eine kleine Maßnahme die Kultur viel nachhaltiger verändert, als irgendwelche Teamentwicklungsmaßnahmen. Und, ja, es geht darum, den Menschen insgesamt und damit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und ihren Selbstorganisationsfähigkeiten zu vertrauen. Oder theoretischer formuliert geht es darum, dass Y-Menschenbild von McGregor zunächst in den Köpfen der Führungskräfte zu verankern, was dann wiederum Auswirkungen auf das Menschenbild der Mitarbeiter hat. Aber, ganz ehrlich: ein Menschenbild kann ich nicht durch Tools, Methoden, Seminare etc. verändern. Hier bedarf es Experimente, Versuch und Irrtum, mutiges Ausprobieren.

Spannend dabei ist noch die Frage, um was es in den meisten Settings Sozialer Arbeit geht. Egal ob Kita, Kindergarten, Schule, Jugendhilfe etc. geht es doch vornehmlich darum, die Selbstverantwortlichkeit der Menschen zu stärken. Und das kann nur gelingen, wenn Selbstverantwortlichkeit und Selbstorganisation auch bei den Mitarbeitenden gelebt wird.

 

Andreas Schiel:

Lieber Hendrik, einen schöneren Schlussatz als diesen, in dem die Begriffe Selbstorganisation und Selbstverantwortung direkt nebeneinander stehen, hätte ich mir jetzt auch nicht ausdenken können! Vielen Dank Dir, für die sehr interessanten Antworten, auch wenn sie noch nicht all meine Sorgen ausräumen konnten. Aber ein Silberstreif am Horizont ist immerhin zu sehen…

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Eine Antwort zu “#SorgenvonMorgen 8: Warum nur kann die Sozialwirtschaft so wenig mit #NewWork anfangen?

  1. Hat dies auf IdeeQuadrat rebloggt und kommentierte:
    Selbstverantwortlichkeit der Klientel kann nur gestärkt werden, wenn Selbstverantwortlichkeit und Selbstorganisation auch bei den Mitarbeitenden gelebt wird!

    Danke an Andreas Schiel für das nette Interview! Hat Spaß gemacht!

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