Ein Dialog mit Andreas Zeuch von priomy
Lieber Andreas, gemeinsam gestalten wir am 15. Juni 2018 eine (Un)Konferenz in Berlin mit dem schönen Titel „Neue Konzepte für Neue Arbeit“ und dem noch schöneren Untertitel „Die Angst vor der Freiheit“. Den Lesenden soll aber nicht vorenthalten werden, dass es Du und ein Vorbereitungsteam von KollegInnen waren, die diese Konferenz federführend ausgeheckt haben. Ich komme gewissermaßen etwas verspätet dazu und kann dir deshalb ein paar naive Fragen stellen, wie etwa:
Andreas Schiel: Mit meinen bzw. unseren Projekten arbeit:morgen und denkzentrum|demokratie unterstütze ich sehr gerne ideell diese (Un)konferenz. Aber wer veranstaltet die eigentlich – und warum?
Andreas Zeuch: Erst mal zum “wer”: Das sind hauptsächlich Daniela Röcker und ich. Wir werden dabei noch unterstützt von Danis Mann Stefan Röcker und von unserem Tübinger Kollegen Heiko Nowak. Wir vier arbeiten noch mit ein paar weiteren Menschen der Gründung unseres gemeinsamen Unternehmens, mit dem wir spätestens am 07. März online gehen. In diesem Zusammenhang entstand die Idee zu der Konferenz.
Und jetzt zum “warum”: Wenn man sich in der New Work Filterblase täglich rumtreibt, kann der Eindruck entstehen, dass es ja schon ziemlich viel Konzepte gäbe, wie New Work nachhaltig umgesetzt werden könne. Bei näherer und genauerer Betrachtung wird schnell deutlich, dass da wenig mit Substanz ist. Ich persönlich entdecke zB aktuell viel mehr bei empirischen Poitikwissenschaftlern und Veröffentlichungen in diesem Themenbereich. Das hatte ich Ende letzten Jahres auch in dem Podcast “Master of Transformation” im Gespräch mit Ingo Stoll erklärt. Konkret ergab sich dann für die Konferenz, dass wir Prof. Jason Brennan aus Washington eingeladen haben, der das für uns inspirierende Buch “Gegen Demokratie” veröffentlichte. Desweiteren ist der gesellschaftliche Sektor Kunst für uns sehr wichtig. Denn im Idealfalle realisieren Künster*innen die Reinform selbstbestimmter Arbeit. Sie streben mit irgendeinem künstlerischen Medium nach einem selbstbestimmten Ausdruck ihrer Gedanken und Gefühle. Deshalb gibt es auf der Konferenz nicht einfach ein schön spießiges Streichquartett zu Beginn oder am Ende, sondern Kunst wird ein integraler Teil der Veranstaltung. Auf diese Weise hoffen wir, einen Beitrag zur Transformation der Arbeit in Richtung von mehr Selbstbestimmung leisten zu können.

Die transsektorale (Un)konferenz „Neue Konzepte für Neue Arbeit“, veranstaltet von priomy, wird bestimmt nicht langweilig. Auch der Autor dieses Blogs wird im Rahmen seines Projekts denkzentrum|demokratie mit einem Workshop dort vertreten sein.
Andreas Schiel: Wer hat denn in Unternehmen Angst vor der Freiheit – und wer nicht?
Andreas Zeuch: Gute Frage. Das kann ich natürlich nur tendenziell beantworten, das kommt im Einzelfall drauf an. Aber ich habe den Eindruck, dass Angst bei allen entstehen kann, Topmanagement, Führungskräfte und Mitarbeiter – und natürlich auch Anteilseigner, sofern die überhaupt einer echten Transformation zustimmen würden, was ohnehin meistens nicht passiert.
Bei der Geschäftsführung ist es vor allem eine äußerst berechtigte Sorge oder Angst: Was hat das eigentlich für Konsequenzen, wenn ich die Belegschaft in unternehmerische Entscheidungen einbinde, aber alleine dafür rechtlich verantwortlich bleibe? Oder: Wo führt das alles hin, wenn man vorher nicht alles genau absehen kann? Welche Rolle habe ich zukünftig, wenn vielleicht sogar die Strategie – zumindest in kleineren Unternehmen – gemeinsam entwickelt wird und nicht mehr mein originäres Hoheitsgebiet ist?
Bei den Führungskräften unterhalb des Topmanagements kommen auch noch andere Sorgen und Ängste auf. Das können relativ egoistische Perspektiven sein: Was ist mit meinen über Jahre hinweg mühevoll erarbeiteten Privilegien? Mit der einen oder zwei Assistentinnen, mit dem Eckbüro, dem besonders gut gelegenen Parkplatz, usw. usf. Aber natürlich geht es auch um das Wohl der Firma: Kriegen wir alles gut hin, wenn die bisherige Führungsstruktur und -kultur deutlich verändert wird? Bricht nicht Chaos aus, wenn es keinen Chef mit Disziplinarrecht mehr gibt? Werde ich etwa überflüssig und demnächst entlassen?
Bei den Mitarbeiter*innen habe ich in den letzten Jahren verschiedene andere Sorgen und Ängste erlebt: Vor allem stellt sich die teils berechtigte Frage, was passiert, wenn die neue Verantwortung mit neuen Entscheidungsbefugnissen zu Fehlern führt? Rollen dann gleich Köpfe oder darf ich auch Fehler machen? Oder es ist die Angst, dass dies der 27te Change ist, bei dem am Ende alles Wesentliche mal wieder gleich bleibt. Da schlägt dann eine große Resignation und Veränderungsmüdigkeit zu Buche. Natürlich gibt es auch bei den Mitarbeiter*innen Ängste vor dem Arbeitsplatzverlust, schließlich ist am Anfang meistens nicht ersichtlich und planbar, wie die Organisation später aussehen wird. Klar ist nur, dass höchstwahrscheinlich der eine oder die andere gehen wird. Von sich aus oder von seiten des Arbeitgebers aus.
Andreas Schiel: Dann ist das ja wirklich alles ein bisschen gefährlich mit der Freiheit, jedenfalls in den Unternehmen, wenn man dir so zuhört. Und dann habt ihr als Keynote-Speaker noch Jason Brennan gewonnen, der auf der politischen Ebene vor zu viel Demokratie warnt. Oder wie muss man das verstehen: Wird diese (Un)konferenz im Juni Werbung für oder doch eher Warnung vor zu viel Freiheit in Wirtschaft und Gesellschaft?

Hatte mal wieder eine verdammt gute Idee: Dr. Andreas Zeuch, Unternehmensdemokrat und Mit-Initiator/-Veranstalter der (Un)konferenz (Bild ©noventum)
Andreas Zeuch: No Risk, no fun. Im Ernst: Natürlich gehen mit Transformationen auch Risiken einher. Etwas anderes zu behaupten wäre naiv oder verlogen. Dafür entschädigen die möglichen Ergebnisse den Aufwand und das Risiko. Wie vor kurzem eine Studie von Kienbaum gemeinsam mit dem Jobportal Stepstone mit 14.000 Fach- und Führungskräften mal wieder zeigte: “Flache Hierarchien machen innovativ und motivieren”.
Zu Jason Brennan: Der warnt aus meiner Sicht keineswegs vor zuviel Demokratie. Sein Standpunkt ist, dass bisher Demokratie, wie wir sie kennen bislang das beste Instrument ist, um bestimmte Werte wie Gerechtigkeit in Gesellschaften zu realisieren. Er legte mit seinem beachtlichen Buch “Gegen Demokratie” allerdings auch eine empirisch fundierte Kritik der real existierenden Demokratien vor – und macht ganz konkrete Vorschläge, wie es besser funktionieren könnte. Das finden wir gerade vor dem Hintergrund aktueller Führungskräftewahlen hochgradig interessant. Ich persönlich stimme Brennan sehr wohl in seiner Kritik zu, dass viele, wenn nicht die meisten Wähler, gar nicht kompetent sind, um viele Probleme und Herausforderungen einigermaßen aufgeklärt beurteilen zu können. Das erkennen wir an dem globalen Trend zum (Rechts)Populismus, der ja bekanntermaßen mit völlig dysfunktionalen Lösungen daherkommt. Und genau dieses Argument mangelnder Kompetenz höre ich immer wieder, wenn es um die Wahl von Führungskräften geht. Und auch da ist etwas dran. Aber deshalb müssen die Wahlen nicht falsch sein, sondern das Procedere könnte verbessert werden.
Zur Zielrichtung unserer Veranstaltung: Das ist eine herrliche Provokation, Andreas! Ja klar, wir warnen vor zuviel Freiheit. Zurück zu Taylor. Zurück zum Kern der Hierarchie, der heiligen Rangordnung. Na ja, nicht ganz. Ich würde unser Vorhaben als post-postmoderne Aufklärung verstehen. Wir gehen davon aus, dass die Transformation der Arbeit hin zu mehr Selbstbestimmung und Freiheit ein wichtiger Schritt ist, um uns als Gesellschaft insgesamt zum Wohle aller weiterzuentwickeln. Und auf dem Weg dorthin wäre es klug, wenn wir uns auch mit den schwierigen und oft tabuisierten oder ignorierten Aspekten beschäftigen.
In #SorgenvonMorgen 13 kann man die Fortsetzung des Gesprächs über die (Un)konferenz nachlesen: Dort mit Daniela Röcker von den Kultur-Komplizen, die mir etwas zur künstlerischen Seite der Konferenz erzählt hat.